„Hat ja alles keinen Sinn. Man kann ja eh nichts verändern.“ Das ist die mit Abstand häufigste Antwort von Menschen, die man bei politischer Arbeit auf der Straße zu hören bekommt. Die interessierte Gegenfrage „Was haben Sie denn schon alles probiert?“ wird dann meist mit verdutzten bzw. bösen Blicken und schnellen Schritten weg von der Gefahrenzone goutiert.
Die vermeintliche Politikverdrossenheit hat zwei Ebenen. Zum einen die der frustrierten WählerInnen, die ständig zwischen Rot und Schwarz wechseln und in Anbetracht der beliebigen Austauschbarkeit der beiden Parteien das Gefühl haben, ihre politische Repräsentation zu verlieren und dadurch massiv unzufrieden werden. Die Blauen werden zum Glück großteils rein aus Protest gewählt und bieten sowieso keinerlei Zukunftsperspektive und Programm. Die Grünen und Pinken sind zu klein, um eine entscheidende Rolle zu spielen. Die zweite Ebene betrifft Menschen, die nicht mal mehr daran glauben, dass in den Parlamenten überhaupt noch etwas verändert werden kann. Aus einem Gefühl starker Ohnmacht heraus denken sie, dass die Entscheidungen ohnehin schon lange in Brüssel bzw. überhaupt in Hinterzimmern von Konzernen und Superreichen getroffen werden. Die Parlamente dürfen nur mehr abnicken.
Syriza erinnert uns an die Demokratie
Dass dem nicht so ist, sehen wir momentan in Griechenland am Beispiel Syriza, die erst vor 10 Jahren als Wahlbündnis gestartet ist und seit nicht mal 3 Jahren als Partei besteht. Eine Partei, die nicht schon seit einer gefühlten Ewigkeit existiert und von den immer gleichen Menschen geführt wird. Sie liegt in allen Umfragen voran und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Wahl am 25. Jänner 2015 gewinnen. Seit Ausbruch der aktuellen Krise ist sie die erste Partei in Europa, die nicht dem Mainstream des Sparens, Löhne- und Steuersenkens, Bankenrettens, Schuldensozialisierens und Zerstörens des gemeinschaftlichen Vermögens folgt und trotzdem die Chance hat, den Regierungschef eines Eurolandes zu stellen. Eine Partei, die offen die Schuldenpolitik der EU in Frage stellt und klar macht, dass es rote Linien gibt, die von der Politik und nicht von der Wirtschaft gezogen werden müssen.
Seit der Ankündigung der Neuwahl in Griechenland fühlen sich die „Eliten“ der westlichen Welt und EU gedrängt, den bevorstehenden Wahlsieg der Syriza als Teufel an die Wand zu malen. So warnt der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einem „falschen Wahlergebnis“ und äußert den Wunsch, auch weiterhin „bekannte Gesichter“ in der griechischen Politik zu sehen. Die deutsche Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble drohen mit Euro-Ausschluss. Der tschechische Premier Zeman fordert überhaupt gleich, Griechenland aus der EU zu werfen. Und Joschka Fischer, der ja selbst in grauer Vorzeit als linkslinker Berufsrevoluzzer bezeichnet wurde, nennt Alexis Tsipras „gefährlich“. Die Massenmedien spielen bei all dem fröhlich mit und tragen diese Botschaften wohlwollend weiter. Kein Medium führt Syriza mehr an, ohne sie als linkspopulistisch, reformkritisch oder radikal zu bezeichnen.
Scheinbar glauben also doch einige sehr gewichtige Stimmen, dass es nicht völlig egal ist, wer in den Parlamenten sitzt und vor allem wer die Regierung anführt. Und in der Tat: es ist alles andere als egal. Denn obwohl natürlich vieles in verruchten Hinterzimmern ausgemacht wird, sind die europäischen Länder am Papier noch immer Demokratien, in denen Gesetze von Regierungen vorgeschlagen und vom Parlament abgesegnet werden müssen. Und wenn dort keine getreuen roten oder schwarzen Mitläufer sitzen, sondern engagierte, moralische Menschen, gibt es ein Problem. Um das zu verhindern, wird auf medialen Druck und Panikmache gesetzt. Genau das sollte für uns alle die Erinnerung sein, dass auch unsere verstaubte Demokratie noch immer ein sehr zentraler Ort der Politik ist.
Noch sind wir eine Demokratie
Wenn der Lauf der Geschichte so alternativlos weitergeht wie in den letzten zehn Jahren und wir nicht klar machen, dass wir Demokratie wollen und sie auch nützen, dann wird auch unser Kampf für Veränderung irgendwann so aussehen wie autoritären Regionen, die wir jetzt so sehr wegen ihrer Gewalt und Unfreiheit bemitleiden.
Natürlich sind Wahlen bei weitem nicht der einzige Ort, an dem Politik gemacht wird oder politische Konflikte ausgetragen werden. Aber er ist einer dieser Orte und er viel zu wichtig, als dass er einfach ignoriert werden kann.
Nutzen wir also unser Recht solange wir es noch haben.