Meine Rede zum Erhalt des Paul Weis Preises 2023.
Größten Dank an den Verein Courage für diesen Preis, der wieder die so wichtige Aufmerksamkeit auf die Menschenrechte und die brutale europäische Grenzverteidigung bringt.
Größten Respekt möchte auch an die österreichischen wie internationalen Medien und natürlich vor allem die New York Times aussprechen, ohne die diese Aufdeckung nicht möglich und nicht so groß geworden wäre. Die Berichterstattung ging um die Welt und hat dafür gesorgt, dass die Verbrechen Griechenlands öffentlich wurden und durch diesen Druck seitdem und bis heute nicht mehr stattfinden. Ein ums andere Mal hat sich gezeigt, wie essenziell eine freie Presse für Freiheit und Demokratie ist, nämlich vor allem dann, wenn die Regierenden nicht handeln bzw. sogar Täter sind.
Deswegen möchte ich hier auch der österreichischen wie europäischen Politik meine allerhöchste Verachtung aussprechen, denn obwohl die griechischen Verbrechen seit Jahren allen bekannt waren, wurde nichts getan und sei dem nicht genug, hat sich kein einziges Regierungsmitglied und kein einziger Regierungschef auf unserem Kontinent nach der Veröffentlichung der Aufdeckung geäußert, geschweige denn gesagt, dass jetzt die Grenze erreicht ist. Dass nicht in unserem Namen solche Schwerstverbrechen begangen werden. Niemand. Wir reden hier von Kidnapping, also Freiheitsberaubung, Verwehrung des Rechts auf einen Asylantrag also Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention, illegale Deportationen, Aussetzen von Menschen, von Männern, Frauen, Jugendlichen, Kindern, ja sogar Babys, von denen praktisch niemand schwimmen kann, auf hoher See. Das sind schwerste Kapitalverbrechen und das einzige was auf der politischen Ebene passiert ist, ist dass die EU-Kommission Griechenland, den Täter, mit der Untersuchung seiner eigenen Taten beauftragt hat.
Das Erschreckende ist nicht nur, dass dies der Zustand unseres Rechtsstaates und unserer Europäischen Union heute ist, sondern dass dies alles auch so durchgeht und akzeptiert wird. Hier beginnt der Fisch klar vom Kopf zu stinken. Die Politik lebt die Ignoranz, die Mittelmäßigkeit und die Anstandslosigkeit vor und immer mehr Menschen machen es nach bzw. fühlen sich ohnmächtig und ziehen sich zurück. Hier braucht es klar eine Zeitenwende und ganz andere Menschen an der Spitze der Gesellschaft, die nicht nur sich selbst und das Geld lieben und für die nicht erst das Strafrecht die Grenze ist, und immer öfter nicht einmal mehr das.
Denn Wandel ist möglich und wir dürfen nicht resignieren noch uns immer einreden lassen, dass alles zu kompliziert und unmöglich ist. Hätte ich auf Lesbos befolgt, was alle sagten, dass man eh nichts machen kann, das alles zu gefährlich ist und dass sich nicht etwas ändern wird, wären wir heute nicht hier, während die Verbrechen weitergingen. Ich habe meine körperliche Unversehrtheit riskieren müssen, weil viel mächtigere Menschen nicht bereit waren, das Richtige zu tun. Und so geht es nicht nur mir, sondern so vielen Menschen, die im Bereich der Menschenrechte, Demokratie und Journalismus arbeiten und widersprechen. So wie heute hier ganz viele von diesen Menschen sind, die auch nicht immer gehorchen und nicht den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Die Nein sagen, wenn Nein gesagt werden muss. Weil es auch unsere Verantwortung ist für all jene, die unter Regimen leben, die dieses Privileg nicht zulassen. Auch für sie müssen wir aufstehen und für Veränderung sorgen.
Und sie ist möglich. Das hat meine Aufdeckung wieder einmal gezeigt und genauso ist das auf viel größerer, globaler Eben möglich. Hunger und Nahrungsmittelknappheit sind zum Beispiel ein zentraler Faktor für Konflikte und damit Flucht auf unserer Welt. Das Ende des Hungers würde die Menschheit nur 40 Milliarden Dollar pro Jahr kosten. Das ist 1 Prozent dessen, was nur die Öl- und Gaskonzerne letztes Jahr an Gewinnen gemacht haben. Ja, Gewinne, nicht Umsatz, reiner Profit.
Und da müssen wir uns schon Fragen stellen: Was ist uns wichtiger? Was macht unsere Welt zu einem besseren, schöneren, freieren friedlicheren Ort? Was würde die Zahlen an Geflüchteten kollabieren lassen? Was würde uns wirklich freuen und mit Stolz erfüllen? Ein Prozent mehr Profit für die, die sich ohnehin schon viel zu viel genommen haben, oder das Ende von Hunger auf unserer Erde?
Das ist nur ein Beispiel von vielen, um das zu erreichen, wonach sich jeder Mensch sehnt: Freiheit, Sicherheit und Frieden. Und das sagen mir auch alle Menschen auf der Flucht immer und immer wieder: Ich will nicht hier sein. Ich möchte in meiner Heimat sein. Bei meiner Familie, meinen Lieben, meinen Freunden. Dort wo meine Sprache gesprochen und mein Essen gegessen wird. Wo ich mich auskenne, wo ich zu Hause bin. Wo ich nicht Flüchtling, sondern Mensch bin.
Meine Aufdeckung war auf diesem Weg nur ein kleiner Schritt, aber er hat uns wieder einmal gezeigt, dass wir immer etwas tun können. Dass nichts unmöglich ist und dass wir gemeinsam etwas bewegen können. Gemeinsam, denn natürlich hätte ich das alles niemals alleine machen können. Deswegen geht dieser Preis auch an meine Mitstreiterinnen. Doro Blancke, die uns alle überhaupt erst nach Lesbos gebracht hat, Matina Stevis-Grindneff von der New York Times, Alice Kleinschmidt, Dani Platsch, Markus Perschon, Davide Marchesi, den Leuten vom Wandel und meiner Mutter.
Danke EUCH!
Fotocredits: Christian Lendl