Sie sind nur einer kleiner Teil der Gesellschaft. Sie kommen aus allen Teilen der Welt und trotzdem erkennt man oft nicht, dass sie jener Gruppe angehören. Sie treffen sich meist in Hinterzimmern und bleiben dort unter sich. Ihnen wird die unglaubliche Macht unsere Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren zugeschrieben und wenn sie wollen können sie uns alle in den Abgrund reißen. Sie scheinen unglaublich mächtig, obwohl sie so wenige sind und nicht einmal einen Anführer haben.
Klingt schon ziemlich beeindruckend und irgendwelchen Ultrareichen, KonzernbesitzerInnen oder BankerInnen könnte man das alles schon zutrauen. Natürlich nicht offiziell, weil man dann sofort ein Verschwörungstheoretiker ist. Wenn ich mit dem ganzen Absatz aber Muslime meine, ist das Zeitgeist.
Warum? Weil alle paar Jahre eine Hand voll Wahnsinniger die ganze Religionssache viel zu ernst nimmt und durchdreht. Irre, die niemanden repräsentieren, die sich einfach selber das Recht herausnehmen Richter Gottes zu sein. Für diese Menschen, sollen die Millionen friedlich in Europa lebenden MuslimInnen teuer bezahlen? Die Teil unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft und auch Kultur sind? Jenen, von denen wir immer verlangt haben, dass sie sich integrieren sollen, machen wir, getrieben von unserer Angst, klar, dass sie nie Teil unserer Gesellschaft waren und sein werden. Dass sie immer die MuslimInnen, die Anderen sein werden. Dass Integration nur in eine Richtung geht und jederzeit widerrufen werden kann.
Wären sie wirklich integriert, wäre die Reaktion gleich wie nach Anders Brejvik. Niemand macht die KatholikInnen für seine Taten verantwortlich, obwohl er behauptet, dass er es für sie getan hat. Niemand schenkt seiner Aussage Beachtung, im Namen Gottes, dem Vater Jesus, dem einen Gott, auch Allah genannt, gehandelt zu haben. Niemand verlangt von Pfarrern, Bischöfen oder gar dem Papst eine Entschuldigung für Brejvik. Es gibt auch keinen Grund dazu.
Der Unterschied
MuslimInnen sind mit einem Anteil von nur rund 5 Prozent[1] unserer Bevölkerung klar die Minderheit. Sie sind meist deutlich ärmer als der Rest der Gesellschaft, leben oft in sozialschwachen Gebieten der Städte, verrichten meist Hilfsarbeiten und die Arbeitslosenquote liegt bei ihnen deutlich über dem Landesschnitt. Sie sind das untere Ende der Gesellschaft, was sie zum Opfer der von Abstiegsängsten getrieben Mittelschicht macht. Dass die Menschen in wirtschaftlich angespannten Zeiten versuchen sich nach unten abzugrenzen, um den Schein des Wohlstandes zu bewahren, ist eine altbekannte Reaktion. Sie machen das, weil sie ihren vermeintlichen Wohlstand schwinden sehen. Weil ihnen täglich die Propagandamedien kriminelle AusländerInnen, ausländische SozialschmarotzerInnen, muslimische Faulpelze und islamische TerroristInnen präsentieren. Die Politik tut es ihnen oft gleich bzw. widerspricht diesem Bild nicht. Das lenkt die berechtigte Angst in ausländerfeindliche und zum teil schon rassistische Bahnen. Sich dann über Pegida aufzuregen ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.
Pegida Kritik ist scheinheilig
Dass sich MigrantInnen nicht voller Euphorie in eine solche Gesellschaft integrieren wollen und können, ist verständlich. „Wenn ich integriert bin, bin ich Deutscher, sonst bleibe ich Moslem.“ – Diesen Satz sagte ein türkischstämmiger Deutscher auf einer Konferenz im letzten Jahr in Deutschland. Er war gut 60 Jahre alt und man merkte während nach seiner Ansprache, dass es ihm wirklich ernst war. Dass er natürlich in seinem Lebensraum Berlin integriert sein möchte, und zwar nicht nur in einigen Straßenzügen.
Und jetzt?
Am Anfang dachte ich, dass den meisten Pegida DemonstrantInnen gar nicht bewusst ist, dass sie in Wirklichkeit nicht gegen den Islam, sondern gegen unser ungerechtes Wirtschaftssystem protestieren. Ein System, dass einigen Wenigen ohne Leistung selbst in Krisenzeiten unglaubliche Gewinne beschert, die die breite Bevölkerung, mit und ohne Migrationshintergrund, finanziert. Dann hörte ich auf Pegida Videos immer mehr Menschen gegen die sogenannte Lügenpresse skandieren. So sehr ich die Banalisierung ablehne, kann bei vielen Artikeln und bei manchen Zeitungen wirklich getrost das Wort Lügenpresse oder Propagandapresse gesprochen werden. Zu eindeutig die politische Agenda, die verfolgt wird und zu groß die Macht mit der sie ganz aktiv und bewusst die öffentliche Meinung beeinflussen und oft auch lenken.
Jetzt gibt es endlich die erste Studie über die Pegida Demonstranten und die zeigt ganz klar, dass weniger als ein Viertel[2] wegen dem Islam auf die Straße geht. Der Rest nennt die Unzufriedenheit mit der Politik und den Medien als Grund für ihre Teilnahme an den Protesten. Das ist noch immer keine Rechtfertigung für Pegida, deren Initiatoren und Anführer ganz klar gegen Ausländer und den Islam auftreten. Dagegen ist Protest und Widerstand notwendig. Viel wichtiger wäre es aber, dass die Menschen, die nicht wegen dem Islam auf der Straße sind, und auch die, die es gar nicht wissen, es schaffen, das zu artikulieren und ihre eigenen Proteste gemeinsam mit Migranten gegen die Politik, Konzerne und Medien und gegen deren Wirtschaftssystem organisieren.
[1] Link: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/islam-studie-muslime-integrieren-sich-deutsche-schotten-sich-ab-a-1011640.html
[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pegida-studie-in-dresden-marschiert-die-mittelschicht-a-1012913.html