Wer sich in den letzten Jahren ein neues Elektrogerät, Auto oder nur einen Rucksack zulegen wollte, kennt es nur zu gut: Die immense Auswahl an Marken, Produkten und Empfehlungen, die jede Kaufentscheidung zu einer fast wissenschaftlichen, vor allem aber nervenraubenden und zeitaufwendigen Recherche machen. Unzählige bekannte und unbekannte Hersteller bieten hunderte vermeintlich unterschiedliche Geräte an, die angeblich alle die gleiche Aufgabe perfekt erledigen.
Also beginnt man seine Recherche meist bei einer Suchmaschine und landet auf unzähligen, oft völlig tendenziösen Testwebseiten, klickt sich weiter durch endlose Testvideos, liest Rezensionen und Kundenbewertungen und wäre so glücklich, über einen neutralen Artikel eines öffentlichen Konsumentenschutzes, der einen ohne Verkaufsabsicht informiert.
Am Ende sind Stunden, Tage, oft sogar Wochen vergangen. Man fühlt sich zwar etwas informierter, weiß aber trotzdem nicht, was das richtige Produkt ist – weil es davon einfach zu viele gibt. Und selbst wenn man einen Hersteller und ein Modell gefunden hat, das einem liegt, existieren davon unzählige Varianten, oft je nach Produktionsjahr. Am Ende stellt man fest, dass das perfekte Modell nicht mehr produziert wird – und der Nachfolger ein Rückschritt ist. Die Suche beginnt von vorne.
Oder man hat das perfekte Produkt gefunden – nur kostet es ein Vielfaches dessen, was man ausgeben wollte. Ja, es kann irgendetwas besser, hat KI eingebaut, redet mit dem Kühlschrank, ist sprachgesteuert und bietet Funktionen, von denen man vorher nicht einmal wusste, dass sie existieren. Und weil man nichts Schlechtes kaufen will und sowieso immer FOMO – Fear of missing out – spürt, kauft man entweder gar nichts oder etwas, das man sich eigentlich gar nicht leisten wollte. Nur um Jahre später zu erleben, dass der Hersteller einen nötigen Dienst einstellt – und aus dem teuren Gerät wird ein Briefbeschwerer, oder das Ding einfach kaputt ist, weil sowieso nichts mehr für die Ewigkeit gebaut wird. Und die Suche beginnt vorne.
Das alles soll die tolle Welt der unendlichen Auswahl im Kapitalismus sein, der mit Schlagwörtern wie Wettbewerb, Effizienz und besseren Produkten zu niedrigeren Preisen beschrieben wird. Mit der Realität hat das oft wenig zu tun. Heute werden wir durch eine unüberschaubare Produktflut gequält – denn es setzen sich nur selten die besten Unternehmen durch, sondern die mit den meisten PR-Milliarden und die haben sich meist mit ihren Konkurrenten sowieso abgesprochen. Hat man am Ende etwas gekauft, ist man fast stolz auf sich ob dieser Leistung und auch, weil die Propaganda der Unternehmen funktioniert und man auch noch denkt, dass man nicht nur einen Rasenmäher, sondern einen Lifestyle, eine Identität erhalten hat.
Diese Überforderung betrifft nicht nur Technik. Selbst wenn wir Lust auf ein Joghurt haben, stehen wir vor einem Regal mit 50 Sorten – und sind überfordert. Aus dem einfachen Wunsch nach einem Nahrungsmittel wird eine Wahl, bei der man am Ende immer verliert. Was, wenn man gar nicht das Beste erwischt hat?
Natürlich ist Auswahl gut – aber zu viel Auswahl mögen wir Menschen nicht. Dieses sogenannte Auswahlparadox zeigt ein einfaches Experiment: Passantinnen und Passanten konnten an zwei Ständen Marmelade probieren – an einem gab es sechs Sorten, am anderen 24. Wenig überraschend zog der größere Stand mehr Aufmerksamkeit auf sich: 60 Prozent der Leute blieben dort stehen, nur 40 Prozent beim kleineren Sortiment. Mehr Auswahl wirkt also zunächst attraktiver.
Doch beim Kaufverhalten zeigt sich das Gegenteil: Beim großen Sortiment kauften nur drei Prozent ein Glas – beim kleinen waren es ganze 30 Prozent. Der Grund ist simpel: Je größer die Auswahl, desto schwerer fällt uns die Entscheidung. Unser Gehirn ist schnell überfordert – statt etwas „Falsches“ zu kaufen, entscheiden wir uns lieber gar nicht. Die vermeintliche Freiheit führt so zur Entscheidungsstarre – und wir bleiben frustriert zurück.
Wie können wir nun diese Herausforderung lösen? Vielleicht mit Wettbewerb, aber nicht am Rücken der Kunden, sondern indem die Unternehmen um die besten Produkte bei einem unabhängigen und völlig transparenten TÜV oder Konsumentenschutz gegeneinander antreten und die besten 10 bekommen die Marktzulassung. So wie auch bei richtigen sportlichen oder wissenschaftlichen Wettbewerben, die in der Öffentlichkeit abgehalten werden und nicht geheim und undurchsichtig, wie in der heutigen Wirtschaft. Oder wir als Gesellschaft und Staat definieren Kriterien und wer diese erfüllt, kann seine Produkte verkaufen. Es gibt sicher noch viele andere und bessere Ideen, aber Fakt ist, dass wir etwas ändern müssen, wenn wir zu besseren Produkten kommen und nicht unsere halbe Freizeit damit verbringen müssen, unter dem ganzen Schrott und der ganze Abzocke das Angebot zu finden, bei dem wir am wenigsten über den Tisch gezogen werden.