Was für alle Medien, Polit-Influencer und die Grünen seit dem Wahltag alternativlos war, ist heute Realität. Kurz ist wieder Bundeskanzler und die Grünen dürfen ihm den Mehrheitsbeschaffer machen. Der fast frenetische Jubel der Bürgerlichen und Gutverdienenden ist ihnen sicher. Jeder, der auch nur die geringste Kritik an den Grünen äußert, ist ein Schwarz-Blau-Befürworter. Die Grünen die Märtyrer, die uns alle vor der Tyrannei erlöst haben und sich für das kleinste Übel opfern. Kurz, einer der größten Rechtspopulisten Europas und mit seiner Politik und seiner Hetze für die Spaltung unserer Gesellschaft und unfassbares Leid und Tod an unseren Grenzen mitverantwortlich, steht unbeteiligt daneben. Als Gewinner auf ganzer Linie durch diese Salbung durch die Grünen. Völlig vergessen, dass Werner Kogler im Wahlkampf die Chance auf Türkis-Grün mit 0 Prozent beziffert hat und dass die Grünen nicht als Mehrheitsbeschaffer für Kurz ins Parlament gewählt wurden[1]. Als Kanzler der Mitte, der „Links“ und Rechts vereinen kann, wohl teilweise selber nicht fassen könnend, wie einfach ihm alle in die Hand spielen. Fast alle fallen auf seine Propagandamaschine herein und machen bei seiner Message-Control mit. Vergessen seine Lügen, sein Gesetzesbruch bei den Wahlen 2017 (Wahlkampfkosten) seine unmenschliche Politik, seine Gier nach Macht.
Alternativlos?
Als alternativlos wird Türkis-Grün dargestellt, aber tun das die Mächtigen nicht immer, sich und ihr Tun als alternativlos darstellen? Hätte man Caesar oder Tutenchamun um eine Alternative zu ihrer Herrschaft gefragt, hätten sie auch selbstverständlich gesagt, dass es diese nicht gibt. Doch genau das macht uns Menschen ja aus, dass wir immer neue Wege finden und das umso besser funktioniert, wenn mehr Meinungen überhaupt einmal gehört werden. Auch einer der Gründe, warum wir die Demokratie eingeführt haben. Stellt man die Frage der Alternativen noch einmal und fragt dabei nicht jene an der Macht und auch nicht die mächtigen Meinungsmacher in den Medien, würde man doch ein paar mehr Wege hören. So wurde Kurz nicht zum Kanzler gewählt und ist auch weit weg von der nötigen Mehrheit dazu. Alle anderen Parteien hätten eigentlich sehr gute Gründe zu sagen: Und wir werden ihn auch nicht zum Kanzler machen. Die SPÖ, weil sie nicht das geringste Vertrauen in Kurz hat und das auch auf Gegenseitigkeit beruht. Die FPÖ, weil sie von Kurz de facto aus der Regierung geworfen wurde und weil Kurz sein Wort ihnen gegenüber gebrochen hat. Die Grünen, weil sie dafür nicht ins Parlament gewählt wurden und eigentlich, weil man Rechtspopulisten nicht zu Kanzlern kürt.
Genauso wäre auch eine Minderheitsregierung mit oder ohne Kurz eine Alternative, bei der sich die ÖVP ständig Mehrheiten für ihre Vorhaben suchen muss. Weitere Kürzungen im Sozialbereich oder zu wenig für die Klima- und Umweltrettung würden so deutlich mehr Debatten auslösen und könnten nicht einfach durchs Parlament gewunken werden. Und es gäbe sicher noch mehr Möglichkeiten, aber wir bekamen leider nicht einmal die Chance darüber nachzudenken oder zu debattieren. Sofort musste die alternativlose Koalition verfolgt werden und mit maximaler Geheimhaltung über die zukünftige Politik für uns alle verhandelt werden. Auch für diese Art der Hinterzimmerdemokratie, in der das Volk vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wurden die Grünen nicht wieder ins Parlament gewählt. Noch dreister ist dabei, dass die Mitglieder des grünen Bundeskongresses, dem de facto höchsten Gremium der Partei, nur eineinhalb Tage Zeit bekamen, um das 200-Seiten-Regierungsprogramm zu lesen. Warum jetzt auf einmal die Eile? Vielleicht damit die meisten sich zur Zustimmung gedrängt fühlen und damit eine hohe Zustimmungsrate erzielt wird?
Was nun?
Von Türkis-Grün können wir uns weiter unternehmerfreundliche Politik, weitere Fokussierung auf permanentes Wirtschaftswachstum, ein paar Klimaschutzmaßnahmen, weniger rechtes Poltern erwarten. Alles verpackt unter einer strikten Message-Control werden wir aus dem Wohlfühlen gar nicht mehr herauskommen. Das einzige, was wir uns nicht erwarten dürfen, ist eine fortschrittliche Politik, die wirklich über die Zukunft von Mensch, Tier und Planet debattiert und die besten Entscheidungen im Sinne aller trifft. Denn jede und jeder, der sich nur etwas ernsthafter mit der Klima- und Umweltkrise beschäftigt hat, weiß, dass es jetzt sofort einen radikalen Wandel nicht nur unserer Energiegewinnung, sondern unseres Wirtschaftssystems braucht. Alles andere ist nur Kosmetik oder wie es Greta Thunberg in Davos sagte „“Ich glaube immer noch, dass die größte Gefahr nicht die Untätigkeit ist. Die echte Gefahr ist, wenn Politiker und Konzernchefs es so wirken lassen, als würden echte Maßnahmen gesetzt werden, während in Wahrheit aber fast gar nichts getan wird, außer geschickter Buchhaltung und PR.“ Für diesen Wandel hätte hätte es weiter Druck gebraucht, dem die Grünen zumindest in Österreich mal jeden Wind aus den Segeln genommen haben.
So werden wir nichts hören und schon gar nicht sehen von einem neuen Steuersystem, was die extreme Ungleichheit in unserer Gesellschaft angeht. Das Steuern für leistungslose Einkommen erhöht, die Konzerne endlich zur Kasse bittet und für Angestellte, Arbeiter und KMUs massive Senkungen der Steuern und Abgaben vorsieht. Wir werden sicher weder massive Investitionen in unser Gesundheits-, Pflege- und Bildungssystem sehen, noch werden wir überhaupt darüber nachdenken, in diesen Bereichen endlich massiv umzukrempeln und sie zukunftsfit zu machen. Wir werden sicher keine Debatte über das unendliche Wirtschaftswachstum und den Kapitalismus an sich hören und darüber, dass dieses System schon seit langem nicht mehr für mehr Wohlstand auch für uns sorgt. Wir werden über wahren Fortschritt wie einem Bürgerrat statt dem Bundesrat, über ein Grundeinkommen für alle, über gerechte Löhne oder einer Obergrenze für die Gierigen nicht reden. Wir werden weiter mit homöopathischen Mitteln sehenden Auges auf den Abgrund zusteuern und uns währenddessen auf die Schulter klopfen, dass WIR Schwarz-Blau verhindert haben.
Was es jetzt braucht ist eine starke Opposition, die zum
einen Kontrolle ausübt. Das werden mehr oder weniger die NEOS übernehmen. Zum
anderen braucht es inhaltliche Opposition und da werden die Pinken Großteils mit
der neuen Regierung zustimmen. Die SPÖ wird in Anbetracht ihrer Innovations-
und Reformunfähigkeit plakative Kritik an der Regierung, allen voran den Grünen
üben, von denen sie ein paar WählerInnen zurückzuholen hoffen. Nie daran
denkend, dass sie vor Kurz drei rote Bundeskanzler stellten und den Weg für
seinen Erfolg durch ihre Unfähigkeit und Rückgratlosigkeit erst geebnet haben.
In Wien schaut die Situation zum Glück noch etwas anders aus, aber auch hier
droht nach der Wahl der türkis-rechte Durchmarsch weiterzugehen. Wirklich
fortschrittliche Debatten und Forderungen werden wir nicht aus dem Parlament
hören. Die kommen schon lange fast ausschließlich von außerhalb und hoffentlich
geben die Medien diesen endlich einen größeren Platz in der Debatte, denn
Demokratie kann und darf nicht auf Parlamentsparteien beschränkt sein.
[1] Türkis-Grün hatte eine Zustimmung von 4 Prozent im August 2019. Die WählerInnen wollten also offensichtlich etwas Anderes: https://kurier.at/politik/inland/kogler-bereit-fuer-bundeskongress-fahrplan-zur-angelobung-steht/400713819